AML am EHA: eine grosse Enttäuschung und doch viel Hoffnungsvolles
Autor:
PD Dr. med. Boris Eugen Schleiffenbaum
Hämatologie
Klinik Im Park, Zürich
AndreasKlinik Cham, Hirslanden
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Die akute myeloische Leukämie war auf dem EHA-Kongress 2024 in vielen Beiträgen vertreten. Unter anderem wurden neue Erkenntnisse zur Risikostratifizierung, ambulanten Therapie und zu verschiedenen zielgerichteten Mono- und Kombinationstherapien präsentiert.
Einmal mehr kam auf dem EHA-Kongress eine sehr interessante Arbeit der Harmony-Alliance-Gruppe zur Sprache, die Dr. med. Alberto Hernández-Sánchez präsentierte.1
In der retrospektiven Analyse zu 520 Patient:innen mit einer t8;21-Translokalisation basierend auf den Daten von mehr als 7000 Patient:innen inkl. Zytogenetik und NGS, die von der Harmony Alliance erfasst worden waren, ergaben sich Risikofaktoren in dieser sonst prognostisch günstigen Ausprägung der akuten myeloischen Leukämie (AML; CR-Rate [komplette Remission]: 94%):
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CIR («cumulative incidence of relapse»):
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männliches Geschlecht
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Verlust des Y-Chromosoms
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KITm mit einem VAF >25%
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OS («overall survival»)
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dito plus
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FLT3-ITD und TET2m für ein dann meist schlecht therapierbares Rezidiv (CIR-Rate: 31,9%; mOS: 9 Monate)
Wie schon in der Studie zu Patient:innen mit NPM1m1 stellt sich hier die Frage nach einer möglichen Reklassifikation und damit möglicherweise auch nach einer daraus sich ergebenden intensiveren Therapie bis zu einer Transplantation (TPL) in der Phase der ersten CR.2
«High-intensity chemotherapy»
Eine deutsch-französische, retrospektive Registerstudie konnte bei älteren Patient:innen (>60 Jahre), für die eine intensive Chemotherapie die beste therapeutische Option ist, wenn sie noch infrage kommt, interessante Ergebnisse zeigen.
Eine Mini-Konsolidation (Idarubicin [Ida] 8mg/m2 i.v. d1; Cytarabin [AraC] 50mg/m2 s.c. d1–5, über max. 6 Zyklen, alle 30–45d) nach Induktionstherapie könnte einer Therapie nach dem von der ELN empfohlenen IDAC-Schema (AraC 1–1,5g/m2 i.v./12h d1–3 oder d1,3,5) bezüglich OS (36 vs. 31 Monate; p=0,46) wahrscheinlich ebenbürtig und bezüglich des rezidivfreien Überleben (RFS) sogar überlegen sein (18 vs. 12 Monate; p=0,006).
Für Patient:innen ist die ambulante Art der Applikation in jedem Fall von Vorteil, mit im Schnitt 20 Hospitalisationstagen weniger. Das stellt auch volkswirtschaftlich gesehen einen grossen Vorteil dar, da pro Patient:in in der Mini-Variante 30000 Euro gespart werden können.
Sarah Bertoli, die die Daten präsentierte und die in Frankreich praktizierte Mini-Konsolidation vertritt, wies jedoch daraufhin, dass AraC zunächst Therapiestandard bleiben sollte und auch in Frankreich für Risiko-Patient:innen Therapie der Wahl bleibt.3
Venetoclax und Azacitidin
Prof. Dr. med. Hartmut Döhner, der Vater der ELN-Risikokriterien, hatte bereits am ASH-Kongress 2022 gezeigt, worauf die Autor:innen der ELN22-Risikostratifizierung auch schon bei deren Publikation aufmerksam gemacht hatten: Die Kriterien gelten nur für die klassischen, intensiven Chemotherapien, nicht aber für die neuen Therapien, wie zum Beispiel jene mit Venetoclax (Ven) und Azacitidin (Aza).4
Bei einer Kohorte von 539 Patient:innen (>60 Jahre, nicht intensiv therapiert: Venetoclax, Gilteritinib und andere zielgerichtete Modalitäten) aus der US-amerikanischen BEAT-Studie wurden die ELN-Kriterien daher um einen molekularen Score erweitert, der sich aus den für die Prognose laut einer Multivariatanalyse relevanten Mutationen im IDH2- (–1), KRAS- (+1), MLL2- (+1) und TP53-Gen (+1) ergab. Der so geschaffene BEAT-Score erzielte eine weit bessere Risikostratifizierung als der ELN-Score:5
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«favourable»=ELN «favourable» und «intermediate»
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«intermediate»=ELN «adverse», Score ≤0
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«adverse»=ELN «adverse», Score≥1
Venetoclax in Kombination mit einer sehr intensiven Chemotherapie zeigte gute Erfolge sowohl bei rezidivierten/refraktären (rr) als auch bei neu diagnostizierten (ND-)AML-Patient:innen:
rrAML-Patient:innen, die in einer deutschen Phase-I/II-Studie mit der Kombination von HAM (AraC 1g/m2 d3–5, Mitoxantron 10mg/m2 d5–7) und Venetoclax (400mg/d d1–14, mögliche Erhaltungstherapie d1–28, ab d29) behandelt wurden, erreichten eine CRc («composite complete remission») zu immerhin 74,5% (CR-Rate: 32,7%, CRi-Rate [«complete remission with incomplete count recovery»]: 41,8%).
Dieses Ergebnis konnte bei 80,5% dieser Patient:innen für eine Stammzelltransplantation genutzt werden und damit zu einem insgesamt erfreulichen OS führen (mOS: NR; OS-Rate nach 12 Monaten: 62,4%; OS-Rate nach 24 Monaten: 55,5%).6
Aus dem MD Anderson Cancer Center wurde eine Studie zu der Kombination von Venetoclax mit FLAG-Ida (Fludarabin, hoch dosiertes Cytarabin, G-CSF und Idarubicin) unterer anderem auch in der Behandlung von ND-AML-Patient:innen präsentiert:
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Venetoclax: 400mg/d d3–7, d1–2 «ramp up» in der Induktion; 400mg/d d1–7 in der Konsolidation
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FLAG-Ida: Fludarabin 30mg/m2 d2–6, AraC 1,5g/m2 d2–6, Idarubicin 8mg/m2 d4–6 in der Induktion; Fludarabin 30mg/m2 d2–4, AraC 1,5g/m2 d2–4, Idarubicin 6mg/m2 d3–4 in der Konsolidation
Auch hier war die CRc-Rate von 96% mit einer MRD-Negativitätsrate von 88% sehr erfreulich, was für eine Transplantation bei 57% der Patient:innen genutzt werden konnte. Die OS-Rate nach 24 Monaten lag bei 78% («favourable risk») bzw. 80% («intermediate risk») und 71% («adverse risk»), wobei Patient:innen nach Transplantation eine deutlich bessere Prognose zeigten als nicht transplantierte Patient:innen (OS-Rate: 80% vs. 44%).7
Stoffwechselspezifische Therapien
KMT2A und NPM1
Balomenib inhibiert wie Revumenib die Interaktion von Menin und KMT2A, indem es an Menin kompetitiv in der Tasche bindet, in der auch KMT2A bindet. Dadurch kommt es zu einer Auflösung des Transkriptionskomplexes aus Menin und KMT2Ar bzw. Menin, NPM1c/mut und KMT2A. Das wiederum reguliert die Transkription von MEIS1 und HOX9 herunter und ermöglicht über die damit verbundenen epigenetischen Veränderungen eine Wiederaufnahme der Zelldifferenzierung und schlussendlich auch der Zellapoptose.
Neben der Herunterregulierung von MEIS1 und HOXA9 konnte auch die davon «downstream» gelegene Herabregulierung von FLT3 gezeigt werden, ebenso wie natürlich auch die Differenzierung der AML-Blasten im Knochenmark.
Eine demnach entwickelte Kombinationstherapie mit Balomenib (Menin-Inhibitor, 100mg/kg) und dem FLT3-Inhibitor Lomonitinib (3mg/kg) verstärkt den Effekt auf FLT3-positive AML-Zelllinien in einem präklinischen NOD-SCID-Mausmodell synergistisch.8
Dr. med. Gabie Issa berichtete über die ersten Ergebnisse der Phase-II-Studie AUGMENT-101 zu Revumenib-Monotherapie bei Patient:innen mit rrAML (inkl. 23% pädiatrische Patient:innen):9,10
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CR/CRh-Rate («remission with partial hematologic recovery»): 23% (70% MRD–; median TTR [«time in therapeutic range»]: 1,87 Monate; mDOR: 6,4 Monate)
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mOS: 8,0 Monate
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39% TPL, 50% Wiederaufnahme des Revumenib post-TPL (historische Daten: CR-Rate: 5%; OS: 2,4 Monate; ohne zielgerichtete Therapie)
Die Nebenwirkungen ergeben sich zum Teil direkt aus dem Wirkmechanismus:11
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QTc-Verlängerung, Grad 3: 14% der RP2D («recommended phase 2 dose»; 2x163mg p.o. BID bzw. 95mg/m2 bei Komedikation starker CYP3A4-Inhibitoren oder <40kg Körpergewicht[KG])
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Differenzierungssyndrom (rascher Neutrophilenanstieg im peripheren Blut; Dyspnoe/Hypoxie, pulmonale Infiltrate, Pleura- und Perikarderguss, Ödeme, Niereninsuffizienz; Exanthem, Lymphadenopathie): 16%
Revumenib in Dosen von 113mg/ 163mg BID p.o. (d1–28) wurde in einer Phase-Ib-Studie auch in Kombination mit Venetoclax (400mg/d nach «ramp up» d1–28) und Azacitidin (75mg/m2 s.c. d1–7) bei ND-AML-Patient:innen mit KMT2Ar/NPM1m, die älter als 60 Jahre waren und für die eine intensive Chemotherapie nicht mehr infrage kam, mit durchschlagendem Erfolg getestet (CR/CRh/CRi-Rate: 71/0/29% [113mg] bzw. 83/17/0% [163mg]).
Es kam, wie bei der Ven/Aza-Kombination auch sonst, zu Zytopenien, die zu einer verlängerten mittleren Zyklusdauer im ersten Zyklus (36d) bzw. bei fünf Patient:innen zu Dosisreduktionen führten. In diesem Zusammenhang ist für die weitere Dosisfindung eine Reduktion der Dauer der Venetoclax-Gabe geplant. Mit Spannung darf man der in Vorbereitung befindlichen Phase-III-Studie entgegensehen.12
Ein weiterer Menin-Inhibitor, DSP-5336, wurde erst in einer Dosiseskalationsphase (40–300mg BID p.o. +/–Azol-Therapie), dann in einer Dosisoptimierungsphase (200/300mg BID p.o.) getestet, um die RP2D in der Therapie von rrAML-Patient:innen mit KMT2Ar und NPM1m in einer Phase-I-Studie zu finden. Es zeigten sich keine DLT («dose limiting toxicity»), keine direkte kardiale Toxizität, es kam zu keinem Studienabbruch oder -unterbruch wegen Nebenwirkungen (AE) und vor allem zu keinem relevanten Differenzierungssyndrom (5,7%, ohne Prophylaxe; keine Differenzierung).
Die Azole hatten kaum einen Einfluss auf die Pharmakokinetik und die Therapie erwies sich als wirksam bei der NPM1m-Gruppe (ORR: 67%; CR+CRh-Rate: 17% [>140mg]; TTR: 1,4 Monate; konsistente Verminderung der Blasten im Knochenmark sowie Verminderung der HOXA9-, MEIS1- und PBX3-Aktivität).13
FLT3
Die QuANTUM-First-Studie begründete die Zulassung der Therapie von ND-AML-Patient:innen mit Quizartinib zusätzlich zur klassischen Chemotherapie in Induktion, Konsolidation und Erhaltung.14 Dr. med. Mikkael A. Sekeres präsentierte eine Subanalyse der Studiendaten, die die Überlegenheit einer Quizartinib-Erhaltungstherapie (30/60mg/d p.o.) für Patient:innen zeigen sollte, die nicht mit einer Transplantation behandelt werden konnten (HR[OS]: 0,40), nicht aber für Patient:innen nach Transplantation (HR[OS]: 1,62).
Es muss aufgrund des Designs der Studie allerdings offenbleiben, ob dies noch Folge des initialen Effekts des Quizartinibs in Induktion und Konsolidation oder aber tatsächlich ursächlich auf die Erhaltungstherapie zurückzuführen ist. Offen muss auch bleiben, ob der differenzielle Effekt des Quizartinibs für Patient:innen mit und ohne Transplantation auf diese zurückzuführen ist oder aber nur Ausdruck eines Selektionseffekts.15
IDH1/IDH2
Ivosidenib (bei IDH1m rrAML und zusammen mit Azacitidin bei ND-AML ohne Eignung für eine Immunchemotherapie [ICT]) und Enasidenib (bei IDH2m rrAML) gehören jetzt schon seit einigen Jahren zum Therapie-Repertoire bei der IDH1/2mAML.
Dr. med. Jorge Cortes präsentierte nun die 5-Jahres-Daten einer Phase-II-Studie zur Monotherapie mit Olutasidenib bei Patient:innen mit IDH1m rrAML, deren Interimsanalyse bereits zur FDA-Zulassung des Medikaments zur Therapie dieser Patient:innen in den USA geführt hat.
Olutasidenib hat ein sehr interessantes Wirkprofil, da es sowohl einfach als auch doppelt mutiertes IDH1 inhibiert, aber nicht IDHwt, und somit die zelluläre Funktion dieses essenziellen Enzyms intakt lässt (Metabolismus, Epigenetik, Differenzierung, DNA-Reparatur und Zustände mit hohem Redox-Potenzial). In dieser schwer behandelbaren Patient:innenpopulation mit IDH1m rrAML erzielte die Monotherapie mit Olutasidenib in kurzer Zeit (TT–CR [«clinical recovery time»]: 1,9 Monate) eine CR/CRh bei 35% der Patient:innen mit einer sehr langen Remissionsdauer von >12 Monaten bei 67%, >18 Monaten bei 54% und einem bisher nicht erreichten mOS.
Bemerkenswerterweise erreichte auch ein Teil der als «non-responder» klassifizierten Patient:innen eine Transfusionsunabhängigkeit bei insgesamt nur moderaten Nebenwirkungen:16
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Nausea, Diarrhö: selten
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Differenzierungssyndrom, alle Grade: 14%
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QT-Verlängerungen: 8%
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Hepatotoxizität: 23%, meist innert der ersten zwei Jahre
Immuntherapien
Besonders aufregend erscheinen die Ergebnisse einer Phase-I-Studie mit dem NK-Zell-«Engager» SAR443579 (SAR’579), der an CD123 auf den Tumorzellen bindet und an CD16/NKp46 auf NK-Zellen und so den Zelltod der Tumorzelle initialisiert. Schon bei einer Dosis von 1,0mg/kgKG/Infusion 1x/Woche kam es bei 33% der Patient:innen mit einer rrAML zu einer CR/CRi, wobei bisher kein prognostischer Marker identifiziert werden konnte, weder klinisch noch molekular. Bis zu einer Dosis von 3,0mg/kgKG kam es zu keiner DLT, häufigste Nebenwirkung war eine Infusionsreaktion, meist Grad 1/2.17
Im angeborenen Immunsystem wird die Phagozytose der Makrophagen durch pro- (Calreticulin) und antiphagozytäre Signale (CD47) geregelt. Krebszellen vermeiden die Phagozytose durch Überexpression von CD47, wie erstmals für die AML gezeigt.18 Magrolimab (Magro), ein humanisierter IgG4-Anti-CD47-Antikörper, restauriert die Phagozytose von Leukämiestammzellen (LSC) in vitro und in vivo.19 Als Monotherapie der rrAML war Magro zwar sicher, aber ineffektiv.20 Aufgrund von präklinischen Daten (Azacitidin führt zu einer vermehrten Expression von Calreticulin auf AML-Zellen) wurde die Kombination von Aza und Magro in einer Phase-Ib-Studie getestet, diesmal mit grossem klinischem Erfolg.21,22 Angesichts der Effektivität der Kombinationstherapie aus Aza (75mg/m2 s.c. d1–7) und Ven (400mg/d p.o. d1–28, nach «ramp up») in der Behandlung der AML war es naheliegend, diese Kombination in der Phase-Ib/II-Studie um Magro zu erweitern (Dosis=RP2D der Phase Ib):23
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C1: 2x/w
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C2: 1x/w
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C3+: alle 2w
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1mg/kgKG: C1d1
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15mg/kgKG: C1 d4+8
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30mg/kgKG: C1 d11+
Darauf aufbauend zeigte eine Phase-IIStudie (gleiches Therapieschema, jedoch mit einer variablen Dauer der Ven-Gabe [d-21/28]) sehr vielversprechende Ergebnisse:
Bei 42% der Patient:innen mit TP53mut ND-AML wurde eine CR erreicht, mit einer 18-Monats-DOR-Rate von 52% und einer 12-Monats-OS-Rate von 53%. Weit besser noch war das Ansprechen bei Patient:innen mit TP53wt ND-AML:24(23)
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CR/CRi-Rate: 88%
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CR-Rate: 56%
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18-Monats-DOR-Rate: 74%
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12-Monats-OS-Rate: 83%
Dr. med. Naval G. Daver fiel die Aufgabe zu, nachfolgend die enttäuschenden Ergebnisse der Phase-III-Studie ENHANCE-3 zu präsentieren. Die zusätzliche Gabe von Magrolimab verbessert die Prognose von älteren Patient:innen mit ND-AML nicht, für die eine intensive Chemotherapie nicht infrage kommt und die mit Venetoclax und Azacitidin behandelt werden (mOS Venetoclax vs. Placebo: 11,7 vs. 10,4 Monate [HR: 1,17]; CR-Rate: 39,7% vs. 42,9%).
Die Studie wurde aufgrund der präliminären Daten, die die fehlende Effizienz von Magrolimab belegten, vorzeitig abgebrochen. Dies ist nur ein Beispiel dafür, wie wichtig Phase-III-Studien sind, vor allem, wenn es um Behandlungen von Patient:innen geht, denen wir bisher nur sehr unzureichend helfen können.25
TP53
Die präklinischen Daten einer australischen Forschungsgruppe waren so herausragend, dass ich sie hier vorstellen möchte. Obwohl die Hoffnung bestand, dass Venetoclax, das «downstream» von TP53 in der Aktivierung der Apoptose wirkt, damit auch unabhängig von der Funktionalität des TP53 ist, hat sich diese Hoffnung in der klinischen Realität nicht bestätigt: Patient:innen mit TP53m AML sind resistent gegen Venetoclax.
Das Gen STING («stimulated interferon gene») spielt eine Rolle im cGAS-Stoffwechselweg, erkennt dsDNA und induziert über NF-κB/Interferon 3 eine Interferon-Typ-I-Antwort. Gleichzeitig aber induziert STING «BH3-only»-Proteine und inhibiert somit BCL-2, MCL1 und Bcl-xL, was BAX-/BAK-abhängig zur Apoptose führt. AML-Zellen zeigen eine der höchsten STING-Expressionen unter allen Tumoren.
Die australische Gruppe suchte daher nach dem STING-Aktivator diABZI, der eine hohe Potenz und Spezifität hat. diABZI zeigt eine hohe STING-, BAX- und BAK-abhängige Effektivität in verschiedenen Zelllinien von TP53wt/m AML wie auch in TP53-KO-Zelllinien und bei Patient:innen mit TP53wt/m AML-Zellen mit einer IC50 von 100nmol. Zudem konnte ein Synergismus in der gleichzeitigen Applikation von diABZI und Venetoclax gezeigt werden. Gesunde Blutzellen waren in direkter Korrelation mit der STING-Expression deutlich weniger diABZI-sensitiv.
In einem MOLM-13-TP53wt/KO-NSG-Mausmodell der AML zeigte die Kombination von Venetoclax (50mg/kgKG) plus diABZI (1,5mg/kgKG i.v.) die höchste therapeutische Effizienz gegenüber Placebo bzw. gegenüber den beiden Medikamenten in Monotherapie. In zwei Experimenten mit AML-Zellen von einem Patienten mit TP53wt und einem Patienten mit TP53m konnten diese Ergebnisse bestätigt werden, auch wenn hier der Synergismus weniger deutlich war (die Patienten waren mit Venetoclax vorbehandelt). Diese präklinischen Daten haben besondere Relevanz, da diABZI schon in Phase-I-Studien in der klinischen Erprobung in der Therapie anderer Tumoren ist.26
«Of note»
Mit der spezifischen Inhibition des mutierten Epitranskriptoms könnte ein völlig neuer Weg in der Therapie der AML beschritten werden. METTL1 ist eine mutierte tRNA-Methyltransferase, die eine Modifikation von M7-Arg-TCT-tRNA und damit die Transkription onkogener Proteine bei verschiedenen Tumorarten induziert, u.a. auch bei der AML, nicht aber in gesunden Stammzellen.
Entsprechend entwickelte die Gruppe in Cambridge zusammen mit einer Biotech-Firma einen METTL1-Inhibitor, STM-9005, der bei hoher Bioverfügbarkeit mit hoher Spezifität METTL1 sehr effizient inhibiert und die Proliferation von verschiedenen humanen und murinen AML-Zelllinien hemmt. Auch in einem murinen AML-Modell in vivo zeigte STM-9005 therapeutische Wirksamkeit.27
Ein wissenschaftlich besonders interessanter Ansatz wurde von Anna-Lena Schmell am letzten Tag des EHA-Kongresses präsentiert. Patient:innen mit Trisomie 21 entwickeln eine sehr frühe Form der AML. Myeloische Stammzellen durchlaufen dabei eine präleukämische Zwischenphase, die «transient abnormal myelopoiesis» (TAM). Mithilfe von AraC hat man auch schon bisher versucht, die Progression zur AML hinauszuzögern, konnte diese aber nicht verhindern.
In einem doppelt-transgenen (Trisomie 21; GATA1sm in fötalen Leberzellen=hämatopoetischen Stammzellen) induzierbaren Mausmodell wurde nun diese Art der AML nachgestellt und anschliessend mit weiteren «Knock-out»-Varianten von Proteinen in verschiedenen Stoffwechselwegen in den fötalen Stammzellen kombiniert, für die es schon FDA-zugelassene Medikamente bzw. Inhibitoren gibt. Auf diese Weise wurde Mycophenolat als Medikament und Inhibitor im Purin-Stoffwechsel identifiziert.
Mycophenolat treibt TAM-Stammzellen differenziell zu normalen Stammzellen in die Apoptose und wirkt synergistisch mit dem Zweitgenerations-Anti-Apoptose-Inhibitor, Navitoclax, der neben BCL-2 auch Bcl-xL inhibiert.28
Literatur:
1 Sanchez A et al.: Machine learning allows the identification of new co-mutational patterns with prognostic implications in NPM1 mutated AML – results of the European Harmony Alliance. ASH 2022; Abstr. #304 2 Hernandez-Sanchez A et al.: Genomic landscape of ADULT AML with T(8;21)(Q22;Q22.1) and prognostic implications – results from the harmony platform. EHA 2024; Abstr. #S148 3 Récher C et al.: Mini-consolidations versus intermediate-dose cytarabine (idac) for the post-remission therapy of AML patients over 60. A study from the DATAML and SAL registries. EHA 2024; Abstr. #S149 4 Döhner H et al.: ELN risk stratification is not predictive of outcomes for treatment-naïve patients with acute myeloid leukemia treated with venetoclax and azacitidine. ASH 2022; Abstr. #602 5 Hoff F et al.: LLS 2024 ELN-refined risk stratification in older adults with newly diagnosed acute myeloid leukemia treated with low-intensity therapy. EHA 2024; Abstr. #S140 6 Ruhnke L et al.: Venetoclax-based salvage treatment for relapsed/refractory aml using a sombination with high-dose cytarabine and mitoxantrone (HAM-VEN): updated results of the phase-I/II sal relax trial. EHA 2024; Abstr. #S135 7 Wei-Ying J et al.: Flag-Ida+venetoclax (ven) in newly diagnosed (ND) or relapsed / refractory (RR) Am. EHA 2024; Abstr. #S136 8 Hertlein E et al.: The novel menin inhibitor ZE63-0302 has an impressive safety profile and unique chemistry that suggests improved efficacy againts resistance mutations. EHA 2024; Abstr. #S130 9 Stein EM et al.: Safety and efficacy of menin inhibition in patients (pts) with MLL-rearranged and NPM1 mutant acute leukemia: a phase (Ph) 1, first-in-human study of SNDX-5613 (AUGMENT 101). ASH 2021; Abstr. #699 10 Issa GC et al.: The menin inhibitor SNDX-5613 (revumenib) leads to durable responses in patients (pts) with KMT2A-rearranged or NPM1 mutant AML: updated results of a phase (ph) 1 study. ASH 2022; Abstr. #63 11 Aldos I et al.: Revumenib monotherapy in patients with relapsed/refractory KMT2Ar-acute myeloid leukemia: topline efficacy and safety results from the pivotal AUGMENT-101 phase 2 study. EHA 2024; Abstr. #S131 12 Zeidner J et al.: Phase 1B study of azacitidine, venetoclax and revumenib in newly diagnosed older adults with NPM1 mutated or KMTA rearranged AML: interim results of dose escalation from the beataml consortium. EHA 2024; Abstr. #S134 13 Daver N et al.: First-in-human phase 1/2 study of the menin-mll inhibitor DSP-5336 in patients with relapsed or refractory acute leukemia: updated results from dose escalation. EHA 2024; Abstr. #S132 14 Erba HP et al.: Quizartinib plus chemotherapy in newly diagnosed patients with FLT3-internal-tandem-duplication-positive acute myeloid leukaemia (QuANTUM-First): a randomised, double-blind, placebo-controlled, phase 3 trial. Lancet 2023; 401(10388): 1571-83 15 Sekeres MA et al.: Quantum-first: efficacy in newly diagnosed patients with FMS-like tyrosine kinase 3-internal tandem duplication-positive (FLT3-ITD+) acute myeloid leukemia (AML) who received continuation therapy. EHA 2024; Abstr. #S142 16 Cortes J et al.: Olutasidenib for mutated IDH1 acute myeloid leukemia: final five-year results from the phase 2 pivotal cohort. EHA 2024; Abstr. #144 17 Garciaz S et al.: Completed dose escalation from the first-in-human, phase 1/2 study of CD123 NK Cell engager, SAR443579, in relapsed or refractory acute myeloid leukemia or high risk-myelodysplasia. EHA 2024; Abstr. #S146 18 Jaiswal S et al.: CD47 is upregulated on circulating hematopoietic stem cells and leukemia cells to avoid phagocytosis. Cell 2009; 138(3): 271-85 19 Majeti R et al.: CD47 is an adverse prognostic factor and therapeutic antibody target on human acute myeloid leukemia stem cells. Cell 2009; 138(2): 286-99 20 Vyas P et al.: Initial phase 1 results of the first-in-class anti-cd47 antibody hu5f9-g4 in relapsed/refractory acute myeloid leukemia patients. EHA 2018; Abstr. #PF232 21 Sallman DA et al.: The first-in-class anti-cd47 antibody magrolimab (5f9) in combination with azacitidine is effective in mds and aml patients: ongoing phase 1b results. ASH 2019; Abstr. #569 22 Sallman DA et al.: The first-in-class anti-CD47 antibody magrolimab combined with azacitidine is well-tolerated and effective in AML patients: phase 1b results. ASH 2020; Abstr. #330 23 Yannan J et al.: Combined blockade of CD47-sirpa interaction by 5F9 (magrolimab) and azacitidine/venetoclax therapy facilitates macrophage-mediated anti-leukemia efficacy in AML pre-clinical models. ASH 2021; Abstr. #510 24 Daver N et al.: Phase I/II Study of azacitidine (AZA) with venetoclax (VEN) and magrolimab (Magro) in patients (pts) with newly diagnosed (ND) older/unfit or high-risk acute myeloid leukemia (AML) and relapsed/refractory (R/R) AML. ASH 2022; Abstr. #61 25 Daver N et al.: Magrolimab vs placebo in combination with venetoclax and azacitidine in previously untreated patients with acute myeloid leukemia who are ineligible for intense chemotherapy: the ENHANCE-3 study. EHA 2024; Abstr. #S138 26 Yuan Y et al.: High tumour intrinsic expression of sting is associated with potent and TP53 independent pro-apoptotic activity by sting agonists in AML. EHA 2024; Abstr. #S123 27 Yankova E et al.: Pharmacological inhibition of METTL1 as a novel therapeutic stratehy agaist AML. EHA 2024; Abstr. #S120 28 Schmell AL et al.: Preemptive targeting of preleukemic cells in down syndrome with pathway-directed therapies: a novel approach to prevent myeloid leukemia. EHA 2024; Abstr. #S129
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