
«Patienten auskultieren und bei jeglichem Hinweis zur Diagnostik überweisen»
Unsere Gesprächspartnerin:
Prof. Dr. med. Anna-Maria Hoffmann-Vold
Leiterin translationale Forschung, Klinik für Rheumatologie, Universitätsspital Zürich
Professorin für Rheumatologie, Universität Zürich
Aufgezeichnet von Dr. med. Felicitas Witte
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Rheumatologen von der Universitätsklinik in Bonn fanden bei mehr als jedem dritten Patienten mit rheumatoider Arthritis oder mit Psoriasis-Arthritis im Thorax-Röntgen Lungenveränderungen, die bei vielen keine Symptome verursacht hatten.1 Wie die Ergebnisse dieser Studie einzuordnen sind und was sie Kollegen empfiehlt, erklärt Prof. Anna-Maria Hoffmann-Vold vom Universitätsspital Zürich.
«Interessant fand ich an der Studie, dass offenbar viele Arthritispatienten mit Lungenfibrose keine respiratorischen Symptome wie Husten oder Dyspnoe bei Anstrengung hatten. In der Praxis diskutieren wir oft, ob man nur bei den Patienten nach einer Lungenfibrose suchen soll, die schon Symptome haben. Die Studie weist nun darauf hin, dass man Patienten screenen sollte, unabhängig von Symptomen. Ich habe mich gewundert, dass die Kollegen nicht die Risikofaktoren gefunden und bestätigt haben, die nachgewiesenermassen mit einer Lungenfibrose einhergehen: Rauchen, erhöhte Antikörper-Spiegel, männliches Geschlecht, höheres Lebensalter, längere Krankheitsdauer seit Beginn der Arthritis sowie hohe Arthritisaktivität. In der vorliegenden Studie war dagegen nur ein positiver Rheumafaktor mit einer Lungenfibrose assoziiert. Womöglich liegt das an der geringen Teilnehmerzahl. Das ist ein grosser Schwachpunkt – bei so wenigen Patienten ist die Aussagekraft per se gering.
Die Studie hat noch eine weitere Schwäche. Für das Screening auf Lungenfibrose bei Patienten mit entzündlichen rheumatischen Erkrankungen sollte auf jeden Fall eine hochauflösende Computertomografie (HRCT) eingesetzt werden, was in dieser Studie nicht der Fall war. Die Kollegen haben ein Thorax-Röntgen durchgeführt, obwohl bekannt ist, dass Röntgen nicht spezifisch ist für Lungenbeteiligungen bei jeglicher Art von rheumatischen Erkrankungen.2 Auch die ACR-Chest-Guidelines betonen, dass immer eine HRCT durchgeführt werden sollte, weil das Röntgen eine sehr geringe Sensitivität hat.3 Bei der Interpretation der Resultate muss man das berücksichtigen. Überraschenderweise fanden die Autoren eine hohe Anzahl von Patienten, die eine Lungenbeteiligung im Röntgen aufwiesen, und zwar 17 von 50, das entspricht 37 Prozent. Das ist deutlich höher als in anderen Studien, die die Prävalenz einer Lungenbeteiligung bei rheumatoider Arthritis untersucht haben. Dort lag die Prävalenz bei 2 bis maximal 10 Prozent.4
Es ist wichtig, auf das Thema hinzuweisen. Es sollten in allen rheumatologischen Abteilungen valide Screening-Strategien eingeführt werden, um bei Patienten mit entzündlich-rheumatischen Krankheiten Lungenbeteiligungen zu finden. Die Autoren der Studie schlagen einen Algorithmus vor. Ich rate davon ab, diesen in der Klinik anzuwenden, weil er Röntgen beinhaltet und nicht die empfohlene HRCT. Ein internationales Konsortium der Europäischen Respiratorischen Gesellschaft (ERS) und der EULAR – ich bin auch beteiligt – entwickelt gerade Leitlinien zum Management von Patienten mit rheumatischen Erkrankungen mit interstitiellen Lungenerkrankungen,5 die Anfang 2025 veröffentlicht werden sollen. In einem Abschnitt werden wir auch auf das Screening auf Lungenbeteiligung bei Arthritiden eingehen.
Was ich bis dahin allen niedergelassenen Kollegen empfehle: Auskultieren Sie alle Patienten mit Arthritiden und führen Sie eine gründliche Anamnese zu respiratorischen Symptomen durch. Wenn Sie irgendeinen Hinweis auf eine Lungenbeteiligung finden, überweisen Sie den Patienten zur HRCT und zur Lungenfunktionsdiagnostik. Patienten mit rheumatoider Arthritis und
mit Risikofaktoren wie männlichem Geschlecht, höherem Alter, Rauchen, hohen Spiegel von Antikörpern oder Rheumafaktor und über lange Zeit erhöhter Arthritisaktivität sollten kritisch für das Screening mit HRCT und Lungenfunktion beurteilt werden – vor allem, wenn mehrere Risikofaktoren vorliegen. Für die Diagnostik sollten die Patienten immer an ein Expertenzentrum überwiesen werden, und die HRCT sollte immer von Radiologen beurteilt werden, die sich bestens damit auskennen.
Leider diagnostizieren wir bei den meisten Arthritispatienten die Lungenbeteiligung zu spät. Es braucht noch viel mehr Bewusstsein unter uns Rheumatologen, dass bei Arthritispatienten die Lunge genauso wie andere Organe beteiligt sein kann. Die Lungenbeteiligung ist mit einer besonders hohen Morbidität und Mortalität verbunden. Deshalb sollten wir uns intensiv darum kümmern, dass wir diese Patienten früh genug identifizieren und dann adäquat behandeln.»
Literatur:
1 Schaefer V S et al.: Rheumatol Int 2024; 44: 1975-86 2 Hoffmann-Vold A-M et al.: Lancet Rheumatol 2020; 2: e71-e83 3 Johnson SR et al.: Arthritis Rheumatol 2024; 76: 1201-13 4 Joy GM et al.: Eur Respir Rev 2023; 32: 220210 5 https://www.ersnet.org/science-and-research/ongoing-task-forces/
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