Kardiovaskuläre Erkrankungen bei COPD
Bericht:
Dr. Torsten U. Banisch
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Die Heterogenität von COPD und das Auftreten multipler Komorbiditäten erschweren den Erfolg übergreifender Therapieansätze. Vor allem kardiovaskuläre Erkrankungen (CVD), die mit einer erhöhten COPD-Mortalität in Verbindung gebracht werden, rücken in den Fokus der aktuellen Forschung. Beim ERS-Kongress wurden der Nutzen proaktiver, frühzeitiger CVD-Diagnosen und -Behandlungen sowie erste Therapieansätze diskutiert.
Der Status der klinischen Kontrolle von COPD dient der Beurteilung der Stabilität von COPD-Patient:innen, auch in Bezug auf kardiovaskuläre Erkrankungen, und ist ein zentrales therapeutisches Ziel“, eröffnete Prof. Dr. Francisco de Borja Garcia-Cosio Piqueras, Universitätskrankenhaus Son Espases in Palma de Mallorca, seinen Vortrag. Die klinische Kontrolle von COPD berücksichtigt hierbei den Schweregrad der Erkrankung sowie deren klinische Stabilität und hält fest, ob ein geringer klinischer Einfluss über einen langen Zeitraum anhält.
Die CLAVE-Studie an 4801 Patient:innen mit schwerer COPD zeigte, dass nur 29,9% eine klinisch kontrollierte Erkrankung aufwiesen. 70,1% der Patient:innen in Behandlung wurden als nicht kontrolliert eingestuft, darunter Patient:innen mit Komorbiditäten wie Diabetes und CVD.1 Weiterführende Studien zeigten eine hohe CVD-Komorbidität bei COPD, wie Herzinsuffizienz (19%), vorhergegangener Herzinfarkt (20%), Vorhofflimmern (7%) und Schlaganfall (5%) – Komorbiditäten, die in direktem Zusammenhang mit einer erhöhten Mortalität stehen (Abb. 1).2
Abb. 1: Einfluss von COPD auf die Sterblichkeit bei Patient:innen mit Herzinsuffizienz bei leicht reduzierter Ejektionsfraktion (modifiziert nach Lau F et al. 2024)11
Die Häufigkeit der Assoziation von COPD und CVD ist unter anderem auf ähnliche Risikofaktoren (u.a. schlechte Lungenfunktion) und pathophysiologische Mechanismen zurückzuführen. Auch nachteilige Auswirkungen wie COPD-Exazerbationen, die zu CVD beitragen, oder kardiovaskuläre Ereignisse, die COPD-Exazerbationen begünstigen, spielen eine Rolle. CVD-Komorbiditäten sind nachweislich mitverantwortlich für die hohe Zahl nicht klinisch kontrollierter COPD-Erkrankungen.1,3
Somit sollte dem Vorhandensein von CVD in der COPD-Diagnostik ein höherer Stellenwert eingeräumt werden. Jedoch sind Symptome von CVD und COPD oftmals schwer zu unterscheiden. Die Behandlung von COPD als multimorbide Erkrankung erfordert ein disziplinübergreifendes Management und Richtlinien, die die verschiedenen Therapiefelder miteinander verknüpfen.
Proaktive Ansätze sind essenziell zur CVD-Früherkennung
„Bei Patient:innen mit COPD sind CVD-Komorbiditäten in der klinischen Praxis oft unterdiagnostiziert“, stellte Prof. Dr. Bianca Beghè von der Universität von Modena und Reggio Emilia fest. In mehreren Studien wurde bereits gezeigt, dass 12 bis 14% der COPD-Patient:innen an einer nichtdiagnostizierten CVD litten. Dies ist besonders schwerwiegend, da die Mortalität von COPD-Patient:innen mit CVD bei 20 bis 30% liegt.4,5
Eine rezente Studie untersuchte, ob eine proaktive Diagnosestrategie, bestehend aus einem Fragebogen zu Symptomen und Risikofaktoren und einfach zugänglichen Tests wie einem EKG und einer NT-proBNP-Marker-Analyse, die Diagnose von CVD bei COPD-Patient:innen (n=624) gegenüber einer Standarddiagnostik (n=592) erhöhen kann. Die angewandten Tests sollten hierbei die häufigsten CVD wie Herzinsuffizienz, Vorhofflimmern und koronare Herzkrankheit erkennen. Nach einem Nachbeobachtungszeitraum von einem Jahr konnte bei 50% der so untersuchten COPD-Patient:innen eine CVD-Diagnose gestellt werden, im Vergleich zu 18% mit der Standarddiagnostik.6
In der klinischen Praxis stehen mit dem Thorax-CT (Kalzifizierung der Koronararterien) und dem EKG gute Möglichkeiten für eine proaktive CVD/COPD-Diagnostik zur Verfügung. Zusammengefasst kann die proaktive Untersuchung auf CVD-Komorbiditäten nicht nur stärker betroffene COPD-Patient:innen identifizieren, sondern erlaubt auch die frühzeitige Aufnahme einer angepassten Therapie, was die Prognosen nachhaltig verbessern könnte.
Rezente Therapieansätze
„Die wichtigsten und oftmals in den Hintergrund geratenen Behandlungsansätze sind die Tabakentwöhnung und die körperliche Aktivität“, verdeutlichte Prof. Dr. Jennifer Quint vom Imperial College London. Zu den weiterführenden nichtpharmakologischen Therapien, die in der Behandlung von COPD-Patient:innen mit CVD bereits positive Effekte erzielen konnten, zählt die orale Nitrat-Supplementierung.7
Die Evidenz zur Wirkung von inhalativen Kortikosteroiden (ICS) bei der Reduktion von kardiovaskulären Risiken wird gerade kontrovers diskutiert, da die Wirkung je nach Studie stark variiert. Eine rezente Analyse zur Wirksamkeit der Triple-Therapie (Formoterol/Glycopyrronium/Budesonid) gegen CVD-Ereignisse bei COPD konnte eine Verlängerung der Zeitspanne bis zum Auftreten eines CVD-Ereignisses im Vergleich zur Monotherapie mit Bronchodilatatoren nachweisen.8 Es braucht jedoch Studien mit kardiovaskulären Endpunkten, um die Wirkung von ICS genauer zu evaluieren.
Rezente Analysen zu möglichen Biomarkern und Risikoalgorithmen konnten ebenfalls zeigen, dass diese bisher noch nicht robust genug für aussagekräftige Vorhersagen sind.9,10
Es zeichnet sich somit ab, dass gerade bei heterogenen Erkrankungen wie COPD die verschiedenen Phänotypen auch unterschiedliche Risikoprofile haben. Dies kann auch die Diskrepanz in den Behandlungserfolgen erklären. Neue COPD-Studien mit einem Fokus auf Subpopulationen und Phänotypen sollten diese Fragen in Zukunft besser erörtern können.
Quelle:
Session „Clinical Year in review. COPD and cardiovascular disease: latest insights in epidemiology, detection and intervention“, ERS 2024 am 8. September 2024, Wien
Literatur:
1 Soler-Cataluña JJ et al.: Clinical control criteria to determine disease control in patients with severe COPD: The CLAVE Study. Int J Chron Obstruct Pulmon Dis 2021; 16: 137-46 2 Fabbri LM et al.: COPD and multimorbidity: recognising and addressing a syndemic occurrence. Lancet Respir Med 2023; 11(11): 1020-34 3 Balbirsingh V et al.: Cardiovascular disease in chronic obstructive pulmonary disease: a narrative review. Thorax 2022; 218333 4 Rutten FH et al.: Unrecognized heart failure in elderly patients with stable chronic obstructive pulmonary disease. Eur Heart J 2005; 26(18): 1887-94 5 Vanfleteren LE et al.: Frequency and relevance of ischemic electrocardiographic findings in patients with chronic obstructive pulmonary disease. Am J Cardiol 2011; 108(11): 1669-74 6 Groenewegen A et al.: Diagnostic yield of a proactive strategy for early detection of cardiovascular disease versus usual care in adults with type 2 diabetes or chronic obstructive pulmonary disease in primary care in the Netherlands (RED-CVD): a multicentre, pragmatic, cluster-randomised, controlled trial. Lancet Public Health 2024; 9(2): e88-e99 7 Alasmari AM et al.: Oral nitrate supplementation improves cardiovascular risk markers in COPD: ON-BC, a randomised controlled trial. Eur Respir J 2024; 63: 2202353 8 Singh D et al.: Effect of triple therapy on cardiovascular and severe cardiopulmonary events in copd: a post-hoc analysis of a randomized, double-blind, phase 3 clinical trial (ETHOS). Am J Respir Crit Care Med 2024; doi: 10.1164/rccm.202312-2311OC 9 Hippisley-Cox J et al.: Development and validation of a new algorithm for improved cardiovascular risk prediction. Nat Med 2024; 30(5): 1440-7 10 Gershon AS et al.: Undertreating cardiovascular disease in people with chronic obstructive pulmonary disease (COPD). Thorax 2024; 79(8): 705-6 11 Lau F et al.: Prognostic impact of chronic obstructive pulmonary disease in patients with heart failure with mildly reduced ejection fraction. Respir Med 2024; 223: 1077536
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